TÄUFERLIEDER
Die Täuferlieder sind der literarische Niederschlag der erlittenen erbarmungslosen Verfolgung seitens des Staates und der etablierten Kirchen.
Hier geht’s zu:
- Gesungene Geschichte
- Wenn der Glaube Feuer fängt – CD von Alexander Basnar
- Peter Riedemann: Vom Singen
- Der Ausbund
- Die Falkensteiner Lieder
Gesungene Geschichte
Seit den frühesten Anfängen des Christentums haben die Gläubigen mit großem Eifer Lieder verfasst und gesungen. Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass keiner Person der Geschichte je so viele Lieder gewidmet wurden wie Jesus Christus. Die Täufer waren darin keine Ausnahme, auch wenn ihre Lieder unter „erschwerten Bedingungen“ entstanden. Als beispielsweise einhundertfünfzig Hutterer 1540 auf der Burg Falkenstein im Weinviertel gefangen lagen, wurden die so genannten „Falkensteiner Lieder“ geschrieben. Noch heute – fast ein halbes Jahrtausend später – werden diese von ihren Nachfahren in Amerika auf deutsch, teils auswendig gesungen.
Die Märtyrerlieder sind häufig die Verarbeitung dieser harten menschlichen Schicksale. Da ihnen öffentliches Predigen untersagt war, verpackten die Täufer ihre Lehre in Lieder (gesungene Predigten). Nicht selten sind es auch fröhliche Loblieder für den Gott, um dessentwillen sie alles aufgegeben hatten. Zum Singen nahmen sie sich ausführlich Zeit – Lieder mit 30 und mehr Strophen sind keine Seltenheit!
Den Liedern wurde meistens eine volkstümliche Melodie zugrunde gelegt, die jeder kannte und die alle mitsingen konnten. Etwas seltsam scheint es, wenn über einem ernsthaften Märtyrerlied steht: „Im Ton: ,Es ging ein Fräulein mit dem Krug ́ oder ‚Ein Blümlein auf der Heide’“. Doch gerade so hatten die Lieder eine starke Werbekraft, weil sie Todesverachtung ausstrahlten.
Ein Beispiel für ein Märtyrerlied:
Wir schweifen in den Wäldern um
Man sucht uns mit den Hunden
Man führt uns wie die Lämmlein stumm
Gefangen und gebunden
Man zeigt uns an vor jedermann
Als wären wir Aufrührer
Wir sind geacht’ wie Schaf zur Schlacht
Als Ketzer und Verführer.
(Leonhard Schiemer, enthauptet in Rattenberg in Tirol am 14. Jänner 1528)
Wenn der Glaube Feuer fängt
CD-Projekt von Alexander Basnar aus dem Jahr 2005/6 (derzeit vergriffen)
YouTube-Videos aus der CD:
Felix Mantz – Mit Lust so will ich singen
Jörg Blaurock – Vater, aus Gnad hast uns erwählt
Hans Hut – O Allmächtiger Herr und Gott
Michael Sattler – Als Christus mit Sein wahren Lehr
Vierzehn Brüder – Mit Freuden wolln wir singen
Ursula Hellriegl – Ewiger Vater vom Himmelreich
Alexander Basnar – Auferstander, Fürst des Lebens
Nicht auf der CD:
Balthasar Hubmayer – Freut euch, freut euch in dieser Zeit
Text aus der CD-Hülle:
„Geschichte ist immer Geschichtsdarstellung, und je geraffter man ein umfangreiches Thema präsentieren will, desto subjektiver wird die Gewichtung ausfallen. Nun soll diese kurze Einführung in eine der faszinierendsten Bewegungen der Kirchengeschichte kein akademischer Vortrag sein, sondern eine Herausforderung. In diesem Sinne habe ich bewusst provokante Gegenwartsbezüge einfließen lassen.
Aus Christus ist nicht dafür am Kreuz gestorben, dass sich nach Ihm Generationen von Theologen dafür Doktorhüte schenken oder heiße Dispute liefern. Er wollte unsere Sünden vergeben und uns in Seine Nachfolge rufen – nachfolgen bedeutet, Seinen Charakter, Seinen Lebensstil anzunehmen, um Sein Wesen widerzuspiegeln in einer Welt die verlorengeht. Er ist das Licht vom wahren Licht, und wir sollen für Ihn das Licht der Welt sein.
Die Täufer waren eine Bewegung von Nachfolgern, die auch Fehler machten. Darüber kann man gelehrte Arbeiten schreiben, ja sogar in Kirchengeschichte promovieren und einen schönen Doktorhut bekommen. Aber ist es das?
Oder sollen wir uns nicht vielmehr anstecken lassen von ihrem Eifer, von ihrer Begeisterung für Jesus Christus, die nicht nur ihr eigenes Leben auf den Kopf (bzw. Vom Kopf auf die Füße) stellte, sondern das ganze Habsburgerreich, die lutherischen Gegenden und die reformierten Schweizer gegen sie aufbrachte? Die wirklich ernstgemeinte Nachfolge Christi führt zum Kreuz der Verfolgung – ein Thema, dass uns westlichen Christen fern und fanatisch erscheint – so fern und fanatisch wie Jesus Christus? Ob wir unseren Heiland wirklich richtig verstanden haben?
Rein menschlich gesprochen gehören die Täufer zu den Verlierern – rein menschlich gesprochen gehörte auch Jesus Christus zu den Verlierern, denn die Auferstehung war vor den Augen der meisten Menschen verborgen. Aber sie ist nichtsdestotrotz die bestbezeugte Tatsache der antiken Geschichte – und auf diesem Fundament ruht die Hoffnung all der Märtyrer, deren Geschichte und Lieder ich für diese CD zusammengestellt habe. Ich muss hier an die Haltung von Paulus denken; „Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte, oder vollkommen wäre, aber ich jage Ihm nach und vergesse was hinter mir liegt.“
Alexander Basnar 2005
Peter Riedemann: Vom Singen
Peter Riedemann, ein Vorsteher und Missionar der Hutterer und selbst Autor von über vierzig Liedern, gab eine Anweisung zum Singen in seiner „Rechenschaft“:
„Paulus sagt: Singet und psalmieret dem Herrn in euren Herzen mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, Eph 5; Kol 3. Darum sagen wir, dass geistliche Lieder zu singen gut, dazu auch angenehm sei vor Gott, so sie in rechter Weise und Art, das ist mit rechtem Aufmerken in der Furcht Gottes und durch das Anregen des Geistes Christi gesungen werden. Denn darum werden sie geistliche Lieder genannt, 2.Pet. 1, dass sie durch den Geist Gottes oder durch sein Anregen verfasst und hervorgebracht sind und dass sie den Menschen zur Gottseligkeit reizen und bewegen. Derhalben wie sie durch das Anregen oder Angeben des Geistes Christi verfasst und gemacht sind, so müssen sie auch durch desselbigen Geistes Anregen gesungen werden, soll es anders rechter Weise und Art geschehen und den Menschen nützlich sein. Wo es aber nicht geschieht und der Mensch nur aus fleischlicher Lust oder um des Wohlklingens willen singt oder war er solches daran suchet, der verkehrt es ins Fleischliche und Weltliche, und singet nicht geistliche, sondern buchstabische Lieder.
Desgleichen auch, der es um des Gesangs willen gerne höret, der höret sie buchstabisch und nicht geistlich, darum auch bei ihm ohne Furcht, und weil unrechter Weise gebraucht, gesungen und gehöret, sündiget der, so es thut, schwer wider Gott, Psalm 50, weil er sein Wort, das ihm zum Heil und Reizung zur Gottseligkeit gegeben war, zur Lust des Fleisches führet und zur Sünde brauchet. Also wird es ihm in Schaden verkehret, und wiewohl es an sich selber geistlich ist, so ist es demselbigen Menschen jetzt nicht mehr ein geistliches, sondern ein weltliches Lied, weil es nicht geistlich gesungen wird. Der es aber geistlich singet, der trachtet und denket einem jeglichen Wort darinnen auf das Fleißigste nach, wie weit und wohin es reiche, warum es dahin gesetzt sei, 2.Tim. 3, und wie es ihm zur Besserung diene. Der es nun also handelt, der singet dem Herrn zum Preis, sich selbst und auch andern zur Besserung und zur Reizung in der Frömmigkeit. Also ist es wohl gesungen, sonst aber vergebens. Auch gestatten wir nicht unter uns, dass andre denn geistliche Lieder gesungen werden.“
Der Ausbund
Der „Ausbund“ ist das älteste Gesangbuch der Täufer. Es ist im süddeutsch-österreichischen Raum entstanden. Den Grundstock bilden 51 Lieder, die zwischen 1535 und 1537 im Gefängnis des Schlosses zu Passau entstanden. Deren Dichter waren trotz Folter ihrem Glauben treu geblieben.
Ursprünglich handschriftlich oder durch gedruckte Flugblätter verbreitet, stärkte der „Ausbund“ über Jahrhunderte hindurch den Glauben vieler Generationen von Taufgesinnten.
Heute singen noch die Amischen Gemeinden in Pennsylvania aus dem „Ausbund“. Die für uns ungewohnte, typische Art des Amischen Gesangs demonstrieren die folgenden Tonbeispiele:
Beispiel einer Botschaft aus dem Schlosskerker:
Dem Verfasser war diese Botschaft aus dem Schlosskerker, aus dem er selbst nicht mehr lebend herauskam, offensichtlich wichtig. H.B.( dahinter steht vermutlich der Täufer Hans Betz) dichtete um 1530 im Passauer Kerker, ein Lied:
„Wie ich von Gott fiel durch die Sünd, und kam in seinen Zoren,
also hat er mich zu sein ́m Kind wiederum neu geboren,
in seinem Sohn Herr Jesu Christ,
derselb mein Mittler worden ist,
dass ich nicht werd verloren.“
Ausbund (Liederbuch Lied 112, Strophe 17)
Die Falkensteiner Lieder
Aus dem Liederbuch der Hutterischen Brüder / The Christian Press Ltd, Winnipeg, Canada, 1953:
„Den 6. Dezember 1539 sein zu Steinabrunn in Österreich viele Frommen zusammenkommen (meistens Philipppische), um sich mit den Hutterischen zu unterreden und vereinigen. Da ist des Königs Profos von Wien mit vielen Leuten, die er dazu bestellt hat, in der Nacht eingefallen, und bei 150 Personen gefangen genommen, aufs Schloss Falkenstein geführt, daselbst viel mit ihnen versucht, wie man dasselbige in ihren Episteln lesen kann, deren sie viele geschrieben haben.
Kupferstich aus dem Märtyrerspiegel: Abschied der hutterischen Galeerensklaven von ihren Familien
Als sie sich nicht ließen weisen, hat man ihrer 90 gebunden, bin gen Triest ans Meer geführt, um sie daselbst auf die Galeeren wider die Türken und andere Feinde zu gebrauchen. Da sein sie in dem 1540. Jahr den 11. Tag Februar in einer Nacht alle ledig worden und auskommen. Die Strick, mit denen sie gebunden waren, dienten ihnen zur Hinablassung von der Mauer. Sein fast alle zur Gemein kommen, außer 12, die sie wieder einfingen und aufs Meer geschickt wurden, da sie ihr Leben in großer Trübsal beschließen mussten. Folgendes sind ihre Lieder, so wie auch die, die andere Brüder machten und ihnen zum Trost sandten.“